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Kirche und Staat

Die rechtliche Regelung der Beziehungen zwischen dem Staat und den Kirchen sowie den anderen Religionsgemeinschaften und ihren Mitgliedern ist Gegenstand des Religionsverfassungsrechts (auch Staatskirchenrecht genannt). Vom Religionsverfassungsrechtzu unterscheiden ist das von den Kirchen zur Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten gesetzte Kirchenrecht, wie es etwa in der Kirchenordnung und den Kirchengesetzen seinen Ausdruck gefunden hat.

Rechtsquelle des Religionsverfassungsrecht ist zum einen das vom Staat gesetzte Recht. Maßgeblich sind hier vor allem Bestimmungen des Grundgesetzes. Daneben finden sich religionsverfassungsrechtlichen Bezüge in den Verfassungen der Bundesländer sowie in Gesetzen des Bundes und der Länder. Eine für das Religionsverfassungsrecht besonders charakteristische Rechtsquelle ist schließlich das im Wege der Vereinbarung zwischen Staat und Kirche gesetzte Vertragsstaatskirchenrecht.

Das System in der Bundesrepublik Deutschland ist das Ergebnis einer langen historischen Entwicklung. Es beruht fundamental auf der Religions- und Kirchenfreiheit und lässt sich als ein System der freiheitlichen Zuordnung der beiderseitigen Aufgaben und des beiderseitigen Wirkens (Konrad Hesse *1919 †2005) beschreiben. Seine Eckpfeiler finden sich im Grundgesetz (GG):

Artikel 4 GG schützt die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sowie die ungestörte Religionsausübung. Zur Religionsfreiheit im Sinne von Artikel 4 GG zählt auch die religiöse Vereinigungsfreiheit; diese umfasst das Recht, sich zu einer Religionsgemeinschaft zusammenzuschließen und am allgemeinen Rechtsverkehr teilzunehmen.

Artikel 4 GG wird in seinen kollektivrechtlichen Bezügen ergänzt durch die Kirchenartikel der Weimarer Reichsverfassung von 1919 (WRV), die gemäß Art. 140 GG Bestandteil des Grundgesetzes sind. Dies sind die Artikel 137, 138 und 141 WRV.

Artikel 137 Absatz 1 WRV konstatiert die grundsätzliche Unterscheidung von Staat und Kirche mit den Worten: „Es besteht keine Staatskirche.“ Der Staat ist frei von kirchlichen und konfessionellen Bindungen. Die Kirchen ihrerseits sind frei von staatlicher Bevormundung, sie sind in die Staatsorganisation nicht eingegliedert und staatlicher Aufsicht nicht unterworfen. Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Kirche sind anerkannt.

In Konsequenz dieser grundsätzlichen Unterscheidung von Staat und Kirche gewährleistet Artikel 137 Absatz 3 WRV das kirchliche Selbstbestimmungsrecht: „Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.“ Nach heutiger Auffassung ist damit nicht nur die Freiheit innerkirchlichen Handelns geschützt, sondern auch die Freiheit der öffentlichen Wirksamkeit einschließlich des diakonischen Handelns kirchlicher Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform. Durch die Zuordnung der organisierten Diakonie zur verfassten Kirche können diese diakonischen Einrichtungen an dem grundgesetzlichen Schutz der Kirchen teilhaben.

Bei ihrem Handeln haben die Kirchen das für alle geltende Gesetz zu beachten. Darunter zu verstehen sind alle Gesetze, die zwingend dem Erfordernis des friedlichen Zusammenlebens von Staat und Kirche in einem religiös und weltanschaulich neutralen politischen Gemeinwesen entsprechen (Alexander Hollerbach, *1931). Schwierige Abgrenzungsfragen ergeben sich dabei insbesondere auf dem Gebiet des kirchlichen Arbeitsrechts und im Bereich des diakonischen Handelns der Kirche. Sie sind immer wieder Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts. In europarechtlicher Perspektive ist der Konsens der letzten Jahrzehnte aktuell in Bewegung (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgericht vom 25. Oktober 2018, 8 AZR 562/16).

Artikel 137 Absatz 5 WRV garantiert Religionsgesellschaften, die vor 1919 schon Körperschaften des öffentlichen Rechts waren, den Fortbestand dieses Status. Die Kirchenordnung nimmt diese Garantie in Artikel 4 auf: „Die EKvW, ihre Kirchenkreise, ihre Kirchengemeinden sowie deren Verbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts. Andere Religionsgesellschaften können ihn nach Landesrecht erwerben, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Eine gesetzliche Regelung findet sich seit 2014 im Körperschaftsstatusgesetz des Landes NRW. Durch die Zuerkennung dieses öffentlich-rechtlichen Status wird die Kirche weder in den Staat organisch eingegliedert noch einer besonderen staatlichen Kirchenhoheit unterworfen. Dieser Status soll die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit der Kirche vom Staat sowie ihre originäre Kirchengewalt bekräftigen. Auf dem Körperschaftsstatus der Kirche beruht unter anderem die Möglichkeit der Begründung öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse (Pfarrdienstrecht, Kirchenbeamtenrecht), der Disziplinargesetzgebung, der Widmung kirchlicher Sachen und der kirchlichen Steuerhoheit. Letztere wird durch Artikel 137 Absatz 6 WRV nochmals ausdrücklich garantiert.

Artikel 138 WRV gewährleistet das Eigentum und andere Rechte der Religionsgesellschaften einschließlich der auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen. Die bezüglich der Staatsleistungen vorgesehene Ablösung ist bislang nicht erfolgt.

Artikel 141 WRV garantiert die Seelsorge im Heer, in Krankenhäusern, Strafanstalten oder sonstigen öffentlichen Anstalten. Damit im Zusammenhang steht Artikel 7 GG mit der Garantie des Religionsunterrichts als einem ordentlichen Lehrfach an öffentlichen Schulen.

Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen erklärt die Grundrechte des Grundgesetzes, wie die Bestimmung des Artikel 140 GG und damit die Weimarer Kirchenartikel, ausdrücklich zu Bestandteilen der Landesverfassung (Artikel 4, 22 VerfNW). In Nordrhein-Westfalen gelten damit die Religionsfreiheit und die zentralen religionsverfassungsrechtlichen Regelungen sowohl als Bundes- wie als Landesverfassungsrecht.

Neben einigen weiteren religionsverfassungsrechtlichen Regelungen erkennt die Landesverfassung unter anderem in Artikel 23 die Fortgeltung älterer Staatskirchenverträge an. Für das Vertragsstaatskirchenrecht in Nordrhein-Westfalen sind die Bestimmungen des Vertrages des Freistaates Preußen mit den Evangelischen Landeskirchen in Preußen aus dem Jahre 1931 grundlegend. Der Vertrag regelt unter anderem die Garantie von evangelisch-theologischen Fakultäten, Ausbildungs- und Anstellungsvoraussetzungen von Geistlichen, das Berufungsverfahren von Theologieprofessorinnen und Theologieprofessoren sowie Aufsichtsrechte des Staates und die Frage von Staatsdotationen. Der preußische Staatskirchenvertrag wurde fortentwickelt durch den Vertrag des Landes Nordrhein-Westfalen mit der Evangelischen Kirche im Rheinland und der Evangelischen Kirche von Westfalen aus dem Jahr 1957 sowie durch den sogenannten Düsseldorfer Vertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und den Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 1984.

 

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